Comics & Architektur: Hedwigskirche

von | Nov 25, 2024

Am Sonntag wurde die Hedwigskirche in Berlin nach Umbau wiedereröffnet – ein Grund für mich gleich am Montag reinzugehen und meinen ersten JETZT-Blogartikel zu schreiben…Denn offiziell heisst die Hedwigskirche Hedwigs-Kathedrale – und als Zeichner von Kathedralen – bin ich was Kathedralen anbelangt Experte. Doch Halt! Was hat die Hedwigskirche mit Comic zu tun? Naja, natürlich […]

Am Sonntag wurde die Hedwigskirche in Berlin nach Umbau wiedereröffnet – ein Grund für mich gleich am Montag reinzugehen und meinen ersten JETZT-Blogartikel zu schreiben…
Denn offiziell heisst die Hedwigskirche Hedwigs-Kathedrale – und als Zeichner von Kathedralen – bin ich was Kathedralen anbelangt Experte. Doch Halt! Was hat die Hedwigskirche mit Comic zu tun? Naja, natürlich habe ich sie gezeichnet und zwar in meinen Schloss-Comic, inmitten meiner großen Stadtpanorama-Sequenz.

Die Hedwigskirche auf den Stadtpaln und der selbe Ort von der Eiszeit bis zum Mittelalter

Zu den Fakten:
Die Hedwigskirche wurde in der Vergangenheit (Hihi) erbaut, und mehrfach zerstört und umgebaut. Die architektonische Idee folgt den Pantheon in Rom: ein Rundbau mit großer Kuppel, davor als Eingang ein Säulenportikus mit Dreiecksgiebel.
Der Bau war die erste Katholische Kirche Berlins nach der Reformation und ist bis heute die Hauptkirche der Katholiken in Berlin. Seitdem es einen katholischen Bischof in Berlin gibt, ist die Hedwigskirche eine Kathedrale, weil der Name „Kathedrale“ nichts mit Architektur zu tun hat, sondern nur mit der Funktion als Bischofskirche.

Das Kirchenäußere hat sich über die fast dreihundert Jahre des Bestehens der Kirche kaum verändert: mal gab es ein Kreuz auf der Kuppel, mal nicht, kurze Zeit befand sich einmal ein Laterne auf der Kuppel.
Das Innere dagegen wurde mehrfach umgebaut, was immer blieb waren die gekuppelten Säulenpaar die die Kuppel tragen und die Kuppel selbst.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kircheninnere komplett zerstört und dann in der DDR wiederaufgebaut. Beim Wiederaufbau wurde im Boden des Kuppelraumes eine große Öffnung mit Treppen ins Untergeschoss geschaffen, um das Grab des von den Nazis umgebrachten Priesters Bernhard Lichtenberg an den Hauptraum anzubinden.
Diese Öffnung stand der Liturgie des Gottesdienste dermaßen entgegen das der jüngste Umbau  beschlossen wurde. Die Öffnung zur Unterkirche wurde geschlossen und Unterkirche und Oberkirche komplett umgestaltet. Dabei wurden alle Teile und Details des DDR-Wiederaufbaus zerstört.

Der Ort der Hedwigskirche vom Mittelalter bis zur Anlage der Straße Unter den Linden 1647

Normalerweise würde jetzt eine Architekturkritik folgen, und ich würde darlegen was mir alles gefällt und was mir nicht gefällt. Aber ich möchte ja Architektur durch die Brille des Comic sehen, also wie weiter?

Grundlegend für mich beim Comic ist das es Bild UND Text gibt, beide erzählen etwas, aber beide erzählen anders. Natürlich ergänzen sich diese zwei Ebenen meist zu einer Geschichte, aber gerade diese Zwiegestalt führt bei Qualitäts-Comics zu einen Art „Dialog“ wo Text und Bild sich wie zwei Tonspuren sich mal ergänzen, kommentieren, widersprechen usw. Intellektuell gesehen ergibt sich dadurch eine „Metaebene“, also mindestens zwei Geschichten in einer. Kritiker des Comics haben dieses Hybride immer verdammt, als Fehler gebrandmarkt weil es nicht eine eindeutige Aussage gibt, sondern eine „Sowohl-Alsauch“ Haltung, eine Unideologische Unentschlossenheit.

Die eingebaute Multiperspektivität des Comics finde ich auch in der Architektur wieder, schon wenn mensch bedenkt das Architektur immer technische Aspekte hat, wie z.B. die Statik die im Kontrast zu ästhetischen/ künstlerischen Aspekten steht.
Die Aufzählung von so unterschiedlicher Disziplinen wie Städtebau, Wärmeschutzverordnungen, Brandschutz, kirchlicher Liturgie, Baugeschichte und Denkmalschutz führt zu sehr unterschiedlichen Lesbarkeiten und Blickwinkeln von Architektur. 

Die barocke Friedrichstadt und bis zum Bau des Forum Friedericianums mit der Hedwigskirche, Kommode und Staatsoper

Aber bleiben wir bei der Funktion der Hedwigskirche als religiösen Ort.
Für mich folgen Religionen immer narrativen Formen, es wird etwas „erzählt“ und dieses Erzählte findet sich schließlich in der Architektur wieder.
Das ich Architektur aus einen „narrativen“ Blickwinkel betrachtet hat natürlich damit zu tun das ich als Comiczeichner immer etwas erzähle, aber auch in meinen Architekturstudium war ich bei Leuten die „Narrative Architektur“ als zentral für die Produktion von Architektur betrachteten.
Hier sei gleich erwähnt das in der Architektur soviele Sichtweisen wie Architekt*Innen gibt, das Architektur also mit Narration verbunden ist, ist keineswegs unumstritten.

Für mich ist Kirchenarchitektur aber zwingend narrativ, ist sie es nicht, ist für mich die Hauptfunktion einer Kirche nicht erfüllt.
Es ist nicht denkbar Kirchenarchitektur ohne Erzählerische Elemente zu machen, so zeigen beispielsweise die neuen Kirchenfenster der Hedwigskirche „Sternbilder“ in Form von Glasblasen wie sie um Christi-Geburt herum waren. Ob das nun für alle Menschen „lesbar“ ist ist natürlich eine andere Frage…

Die neue Hedwigskirche durch meine Brille als Comiczeichner gesehen, bedeutet für mich sich erstmal zu wundern das hier eine Geschichte nicht mehr erzählt wird: die der DDR-Fassung, die komplett überschrieben wurde.
Wenn ich von den Kirche ausgehe die ich bei jeden meiner Köln-Besuche aufsuche ist der Vergleich niederschmetternd: fast jede von den alten Kirchen Kölns zeigt MEHRERE Zeit(ge-)schichten. Das heisst es wird nicht eine Geschichte erzählt sondern mehrere. Also das Konstituierende Element des Comics, das der Mehrlesbarkeit, in der Hedwigskirche verloren gegangen. 
Ich kann es absolut verstehen das die DDR-Architektur kirchlich nicht sehr beliebt ist, auch das das das Loch zur Unterkirche der Hedwigskirche liturgisch im „Weg“ war. 
Aber ich verstehe nicht das die Schließung des „Loches“ damit verbunden wurde alle Details des oberen Kuppelraumes wie die Gestaltung der Säulen, Fenster, Gesimse, Kuppelrippen zu vernichten, also die gesamte DDR-Architektur zu eliminieren. 
Mehrdeutigkeit, Vielgeschichtlichkeit wurde hier von den Architekt*Innen bewußt zerstört, daher ist es nicht die Frage ob mir die neue Architektur gefällt, oder ob mir die alte DDR-Architektur gefällt oder nicht, sondern festzustellen das die neue Architektur schlicht und ergreifend falsch ist.

Allerdings gibt es falsche Comics? Falsche Erzählweisen, falsche Bilder? Streng genommen nicht, alles was wie ein Comics aussieht ist auch ein Comic. Aber es gibt Comics wo die Bild und Text schlecht miteinander interagieren, wo das Bild nicht ohne Text funktioniert, wo die Comicform etwas übergestülpt ist was gar nicht wirklich narrativ funktionieren tut.
Ich glaube das ist so ähnlich in der Architektur. Wenn Kirchenarchitektur narrativ sein muss, funktioniert die neue Architektur der Hedwigskirche nicht, schließlich fehlt die zweite Erzählebene. Also ist die neue Architektur ganz einfach schlecht.

Jetzt habe ich natürlich gar nicht gesagt ob mir die neue Architektur der Hedwigskirche gefällt. Ich finde da gibt es nicht viel zu sagen, sondern nur auf Bertolt Brechts Gedicht „Siebenhundert Intellektuelle beten einen Öltank an“ zu verweisen…

Die Hedwigskirche von der Kaiserzeit bis zum Krieg und DDR-Wiederaufbau
DDR-Zeit und die Zerstörung der DDR-Architektur nach der Wende (Vordergrund: DDR-Außenministerium, im Anschnitt Palast der Republik). Das Kreuz auf der Kuppel ist auch schon wieder Geschichte: Mein Schloss-Comic erschien 2020…